Edition #225 | KW 16
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„Es gibt Jahrzehnte, in denen nichts passiert; und Wochen, in denen Jahrzehnte passieren.“ Das soll der kommunistische Revolutionär Wladimir Iljitsch Lenin gesagt haben. In den vergangenen zwölf Wochen und drei Tagen hat Donald Trump die Globalisierung der Weltwirtschaft vielleicht noch nicht um Jahrzehnte, aber doch mindestens um einige Jahre zurückgedreht. Wir richten unseren Blick diese Woche auf Peking, wo Regierungschef Xi Jinping im Duell mit dem US-Präsidenten gerade die Samthandschuhe abstreift und bei Boeing und Hermès für mehr als nur Luxusprobleme sorgt. Außerdem stellen wir ETFs vor, die wie Balsam fürs Depot sein können. Unser Chief Economist Christian W. Röhl genießt gerade seinen wohlverdienten Osterurlaub, für den deutschen Quizmeister Sebastian Klussmann hat er sich aber trotzdem Zeit im Podcast-Studio genommen.
Verkauft
Hinweis: Die Angaben beziehen sich auf das Verhältnis von Käufen und Verkäufen der 100 meistgehandelten Aktien im Scalable Broker zwischen dem 11.04.2025 und 16.04.2025.
Boeing hat ein China-Problem: Peking soll laut Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg alle chinesischen Fluggesellschaften angewiesen haben, keine Flugzeuge des US-amerikanischen Unternehmens mehr anzunehmen. Dies dürfte eine direkte Reaktion auf die derzeitigen Strafzölle von US-Präsident Donald Trump gegen die Volksrepublik sein. 130 offene Bestellungen stehen somit auf der Kippe. Ihr Verlust wäre angesichts der prall gefüllten Orderbücher bei Boeing, mit zuletzt 6.300 offenen Flugzeugbestellungen, zwar kurzfristig verkraftbar, jedoch langfristig ein herber Schlag.
Jede fünfte Flugzeugbestellung soll in den kommenden zwei Jahrzehnten aus dem Reich der Mitte kommen, schätzt die Branche. Angeblich dürfen die Airlines in China auch keine Flugzeugteile oder ‑ausrüstung mehr in den USA bestellen. Auch das würde Boeing hart treffen. In der Volksrepublik sind derzeit mehr als 1.700 Boeing-Maschinen im Einsatz, die regelmäßig gewartet und repariert werden müssen.
Womit fliegen die Menschen in China dann? Der Boeing-Boykott wurde bisher noch nicht von offizieller Seite bestätigt. Möglicherweise geht es also nur um Verhandlungsmasse, die dann in Gesprächen mit den USA wieder vom Tisch genommen wird. Sollte Peking die Anordnung hingegen nicht wieder aufheben, dürfte Airbus davon profitieren. Kurzfristig wird der europäische Rivale jedoch nicht einspringen können, da auch bei Airbus die Auftragsbücher auf Jahre hinweg gefüllt sind. Die Hoffnung liegt deshalb auf dem in China ansässigen Flugzeugbauer Comac, der den westlichen Herstellern mit seinem Modell C919 Konkurrenz machen möchte. Der Haken: Auch Comac ist derzeit noch auf Komponenten aus den USA angewiesen.
Der Ball liegt in Chinas Spielfeld. China muss einen Deal mit uns machen, wir aber nicht mit ihnen. [...] Sie brauchen unser Geld.
Karoline Leavitt, Pressesprecherin des Weißen Hauses, über mögliche Verhandlungen im Handelsstreit mit China
Smartphones und Computer sowie Grafik- und Speicherchips sind vorerst von Donald Trumps neuen scharfen Importzöllen ausgenommen. Eine Entwarnung für die Weltwirtschaft bedeutet das jedoch nicht. „Nobody is getting off the hook“, sagte der US-Präsident diese Woche, um zu verdeutlichen, dass aufgeschoben noch lange nicht aufgehoben ist. Sein Handelsminister Howard Lutnick hatte bereits angekündigt, dass die Zölle höchstens um ein bis zwei Monate vertagt werden.
China geht derweil in die Offensive: Nachdem man zunächst lediglich mit Gegenzöllen auf Trumps Handelshemmnisse reagiert hatte, beschränkt die Volksrepublik nun die Ausfuhr von sieben sogenannten schweren seltenen Erden, die unter anderem für die Produktion von Hochleistungsmagneten benötigt werden. Darunter leiden nicht nur die USA, sondern auch der Rest der Welt. Nicht-chinesische Unternehmen erhalten die Rohstoffe nämlich nur noch, wenn sie zusichern können, dass das Material oder die daraus hergestellten Produkte nicht in die USA gelangen – eine in einer globalisierten Weltwirtschaft nahezu nicht umsetzbare Forderung. Die Auflagen kommen somit faktisch einem Exportstopp gleich.
Eine Folge dieses Handelskriegs zwischen China und den USA dürfte eine globale Rezession bereits in diesem Jahr sein. Davon geht die US-amerikanische Großbank Citigroup aus. In China wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal 2025 mit 5,4 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zwar stärker als erwartet, die Auswirkungen des Handelsstreits mit den USA werden sich jedoch erst in den Zahlen für April niederschlagen. Die Sorge vor den drohenden US-Importzöllen pushte die Konjunktur Chinas im März sogar: Viele Unternehmen zogen ihre Exporte vor und ließen die Ausfuhren so um 12,4 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum steigen – die Märkte hatten nur mit 4,4 % gerechnet.
Auch die US-Wirtschaft bröckelt: Die Inflationserwartung der Universität Michigan ist im April auf 6,7 % gestiegen und damit auf den höchsten Wert seit 1981. Der Chef der regionalen Notenbank von New York geht mittlerweile davon aus, dass die Inflationsrate in den USA wegen Trumps Zöllen wieder auf 4 % steigen könnte, während gleichzeitig die BIP-Wachstumsrate auf 1 % sinken dürfte.
Keiner mag Besserwisser? Falsche Antwort. Wir haben einen gefunden, von dem man sich gerne belehren lässt. In dieser Folge „Asset Class – über Wachstum und Werte“ begrüßt unser Chief Economist Christian W. Röhl den deutschen Quizmeister Sebastian Klussmann. Im Gespräch verrät der „Besserwisser“ das Geheimnis, um sich Wissen schnell anzueignen und outet sich als ETF-Ultra.
Hier geht es zum Video auf YouTube – außerdem ist die Episode natürlich überall zu hören, wo es Podcasts gibt.
Der Handelskrieg zwischen China und den USA wütet auch auf TikTok. Französische Luxusmarken sind in dem Konflikt nun zwischen die Fronten geraten. Unter dem Schlagwort „Trade War TikTok“ erscheinen derzeit Kurzvideos, die vermeintlich erklären, wie günstig teuere Luxusprodukte in der Herstellung eigentlich sind. In einem Clip wird beispielsweise behauptet, dass für eine ikonische Birkin Bag von Hermès, die für 38.000 $ über die Ladentheke geht, in China nur knapp 1.000 $ an Herstellungskosten anfallen.
Hermès wehrt sich gegen diese Unterstellungen: Die Birkin Bags würden seit 1984 in einem Pariser Atelier für Sonderanfertigungen hergestellt. Über ganz Frankreich verstreut, gebe es noch weitere Werkstätten der Marke, aber keine in China. Ob die Videos Kratzer im Luxus-Image der Marke hinterlassen haben, dürfte sich erst in den Zahlen für das laufende zweite Quartal zeigen. Am heutigen Donnerstag veröffentlicht Hermès seine Umsatzzahlen für das abgeschlossene erste Quartal.
Nach den schwachen Zahlen des ebenfalls französischen Branchenführers LVMH sind die Erwartungen gedämpft. Der Konzern hinter den namensgebenden Luxusmarken Louis Vuitton, Moët und Hennessy meldete am Montag einen Umsatz von 20,3 Mrd. € für das erste Quartal. Bereinigt um Währungs- und Übernahmeeffekte ergibt sich ein Umsatzminus von 2 % im Vergleich zum Vorjahresquartal – deutlich unter den Erwartungen der Märkte. Der Kurs der LVMH-Aktie brach daraufhin ein und zog andere Luxusunternehmen mit nach unten. Da der Aktienkurs der Konkurrenz jedoch weniger stark verlor, konnte Hermès vorübergehend an LVMH vorbeiziehen und zeitweise zum wertvollsten Luxuskonzern der Welt aufsteigen.
Wenn die Kanonen donnern, sollte man kaufen: Das wusste schon Carl Mayer von Rothschild Anfang des 19. Jahrhunderts. Wieso erfordert es aber bis heute so viel Überwindung, antizyklisch zu handeln, also zu investieren, wenn die Börsenkurse weltweit bröckeln? Wo die Mutigen gute Einstiegskurse sehen, fürchten die Vorsichtigen, in ein fallendes Messer zu greifen.
Psychologisch weniger herausfordernd ist simples „Buy & Hold“. Und noch besser fühlt es sich für manche Anlegerinnen und Anleger an, wenn hin und wieder ein kleiner Teil des Unternehmensgewinns auf das eigene Konto überwiesen wird. In Deutschland erfolgen solche Gewinnausschüttungen in der Regel jährlich, in den USA meist quartalsweise. Wie hoch die Dividende pro Anteilsschein ausfällt, wird vom Vorstand des jeweiligen Unternehmens vorgeschlagen und auf der jährlichen Hauptversammlung festgelegt.
Solide Dividendenzahler halten ihre Gewinnausschüttungen auch in unsicheren Zeiten aufrecht und sorgen so für einen regelmäßigen Cashflow. Um sich dividendenstarke Aktien ins Portfolio zu holen, müssen Sie jedoch nicht zum Stockpicker werden. Dividenden-ETFs umfassen einen ganzen Korb an Aktien, die regelmäßige Gewinnausschüttungen vornehmen.
Top US-Importe aus China 2024 in Milliarden US-Dollar
Quelle: Sherwood News, United States International Trade Commission
Wieso ist Donald Trump gerade bei Elektronik eingeknickt? Kurz nachdem der US-Präsident vergangene Woche Einfuhrzölle auf chinesische Waren von bis zu 145 % verhängt hatte, ruderte er am Wochenende bereits wieder zurück. Auf Smartphones, Computer, Prozessoren und Speicherchips würden demnach bis auf Weiteres gar keine zusätzlichen Einfuhrbeschränkungen anfallen – nicht einmal der etablierte Mindestzoll von 10 %.
Der US-Präsident dürfte innerhalb von wenigen Tagen einige verzweifelte Anrufe aus dem Silicon Valley erhalten haben. Für die US-amerikanische Big-Tech-Branche sind Elektronikartikel aus China unverzichtbar. Im vergangenen Jahr importierte die USA Elektronik im Wert von 124 Mrd. $ aus der Volksrepublik. Das zweitwichtigste Importgut waren Maschinen. Andere Kategorien wie Sportartikel, Schuhe oder auch Fahrzeuge spielen im Vergleich dazu nur eine untergeordnete Rolle.
Quellen: Scalable and dpa-AFX