Edition #227 | 02.05.2025
Meistgehandelt | Märkte und Makro | Christian W. Röhl | Podcast | Berichtssaison | ETFs im Fokus | Chart der Woche
In den Schweizer Alpen scheint die Welt noch in Ordnung zu sein. Die Europäische Union sah das jedoch sechs Jahre lang anders, weshalb Schweizer Aktien an Börsenplätzen in der EU nicht verfügbar waren. Nun sind Anteile von Roche, Nestlé und Lindt wieder für Sie handelbar. Welche Perlen des Schweizer Aktienmarkts ebenfalls auf Ihre Watchlist gehören, erfahren Sie in unserer „Asset Class“-Sonderfolge. Außerdem: Eine Mammut-Berichtswoche, vier ETFs für den Welthandel, die Aktionärsquote in Europa und Gelassenheit angesichts des gefürchteten Todeskreuzes.
Hinweis: Die Angaben beziehen sich auf das Verhältnis von Käufen und Verkäufen der 100 meistgehandelten Aktien im Scalable Broker zwischen dem 25.04.2025 und 30.04.2025.
Eine neue Handyhülle von Temu, ein 10er-Pack Unterwäsche von Shein und das fehlende Ersatzteil fürs Fahrrad von AliExpress: Das Shopping-Erlebnis bei Chinas Online-Einzelhändlern ist einfach und vor allem günstig. In den USA gilt das seit gestern nur noch eingeschränkt. Seit Anfang Mai fallen selbst auf Kleinstbestellungen aus China hohe Einfuhrzölle an. Bis dahin galt eine Freigrenze von 800 $. Die durchschnittliche Online-Bestellung beim Shoppen am Smartphone entsprach 2024 jedoch nur einem Warenwert von 112 $. Bestellungen von Verbraucherinnen und Verbrauchern waren also bisher in der Regel zollfrei.
Für JD.com kommt der Wegfall dieser Freigrenze zur falschen Zeit. Die derzeitige Zollhöhe und das frostige Verhältnis zwischen den USA und China bremsen die US-Expansionspläne des Zweitplatzierten im chinesischen E-Commerce-Bereich aus. Eine mögliche Alternative: Europa. Bereits vergangenes Jahr hat JD.com ein großes Logistikzentrum in Frankreich eröffnet, dieses Jahr kamen neue Lagerhäuser in Polen und Deutschland hinzu – weltweit betreibt man 1.400 davon. JD.com könnte den Sprung nach Europa auch mit Übernahmen beschleunigen. Zwar scheiterte im vergangenen Jahr der Kauf des britischen Elektronikhändlers Currys, seit Jahresanfang halten sich jedoch Gerüchte, JD.com könnte es auf Ceconomy abgesehen haben – den deutschen Mutterkonzern von Media Markt und Saturn.
Wenn die Banken nicht wachsam sind, wird es sie in zehn Jahren nicht mehr geben
Eric Trump, der Sohn des US-Präsidenten, über die Vorzüge von Kryptowährungen im Interview mit dem US-Fernsehsender „CNBC“
Donald Trump behauptet, dass hinter verschlossenen Türen bereits mit China über eine Lösung im Zollstreit verhandelt wird. Die Volksrepublik widersprach zunächst, nun ziehe man Verhandlungen aber zumindest in Erwägung. Die Situation ist verfahren: Während der US-Präsident mittlerweile schon für sein ständiges Zurückrudern verspottet wird und sich gezwungen fühlen könnte, seine Zollmaßnahmen nicht wieder komplett abzubauen, steht der chinesische Staatschef Xi Jinping innenpolitisch unter Druck.
Im Kräftemessen mit den USA dürfte sich Xi gezwungen sehen, Stärke zu zeigen, sagte Martin Lück, der ehemalige BlackRock-Chefökonom, im Interview mit dem „Deutschlandfunk“. Statt sich von Trump vorführen zu lassen, werde China deshalb eher Bündnispartner suchen, mit denen sich Druck auf die USA aufbauen lässt. Einen solchen Verbündeten könnte man im frisch gewählten kanadischen Premierminister Mark Carney gefunden haben, der ebenfalls einen härteren Kurs gegen die Trump-Administration fahren möchte.
Derweil bekommt die Realwirtschaft die ersten Folgen von Trumps erratischer Handelspolitik zu spüren: Die Containerbuchungen im Handel zwischen China und den USA sind in den vergangenen Wochen rapide gefallen und fallen weiter. Torsten Slok, der Chefökonom von Apollo Global Management, rechnet damit, dass sich im US-amerikanischen Einzelhandel bereits in wenigen Wochen die Regale leeren könnten. Zumindest dann, wenn nicht endlich eine friedliche Lösung im Handelskrieg mit China gefunden wird.
Auch in Deutschland kommen die Trump-Schockwellen an: Die steigenden Handelshemmnisse lassen die Weltwirtschaft abkühlen, was die exportstarke deutsche Volkswirtschaft unter Druck setzt. Für das laufende Jahr erwartet die Bundesregierung kein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) mehr. Es wäre das dritte Jahr ohne Wachstum und damit die längste Schwächephase seit Gründung der Bundesrepublik. Für 2026 sieht es besser aus: Im kommenden Jahr dürfte das BIP mit einem Plus von 1,0 % wieder deutlich zulegen.
Die Furcht vor einem globalen Handelskrieg hatte den US-Leitindex S&P 500 in den ersten Apriltagen um zeitweise 14 % abstürzen lassen. Nachdem die US-Regierung Verhandlungsbereitschaft signalisiert und die „reziproken Zölle“ abgesehen von China erstmal um 90 Tage aufgeschoben hat, wurde der Rücksetzer inzwischen schon wieder fast vollständig aufgeholt – und auch das in einschlägigen Finanzmedien zitierte „Todeskreuz“ konnte die Börsen bislang nicht nachhaltig beeindrucken.
Hinter dem martialischen Begriff verbirgt sich die Konstellation, dass der kurzfristige Index-Trend – dargestellt durch den gleitenden Mittelwert über 50 Handelstage – unter den längerfristigen 200-Tages-Durchschnitt rutscht. Genau das ist kurz nach Ostern passiert, was aus einer sehr simplen Perspektive der technischen Finanzmarktanalyse nun das Ende eines mehr als zweijährigen Aufwärtstrends anzeigt: Seit Februar 2023 hatte das 50-Tage-Mittel konstant über der 200-Tage-Linie gelegen.
Allzu sehr verschrecken lassen sollten wir uns von dieser Kurvendiskussion aber nicht. Denn seit dem Start des S&P 500 im Frühjahr 1957 gab es immerhin 36 solcher „Death Cross“-Ereignisse, aber nur dreimal (1966, 2007 und 2022) hat der Index in den folgenden 200 Handelstagen per saldo mehr als 10 % verloren. Gleitende Durchschnitte sind tendenziell nachlaufende Indikatoren; das „Todeskreuz“ formiert sich oft erst dann, wenn eine Korrektur schon weit fortgeschritten ist.
Und wäre man in den vergangenen 68 Jahren bei jedem Kreuz-Zeichen aus dem S&P 500 ausgestiegen und erst beim Umkehrsignal an die Börse zurückgekehrt, stünde unter dem Strich eine Jahresrendite von 6,5 % – während simples „Buy & Hold“ 7,4 % gebracht hätte (Kursindex in US-Dollar). Dazu nagen die Steuereffekte des Hin- und Herhandelns am langfristigen Compounding. Es bleibt dabei: „Time in the market beats timing the market“ und die Basisdisziplin im Risikomanagement ist die strategische Diversifikation über verschiedene Anlageklassen hinweg.
Wie passen die Begriffe „aktiv“ und „ETF“ zusammen? Um diese Frage zu beantworten, hat unser Chief Economist Christian W. Röhl diese Woche Ivan Durdevic von J.P. Morgan Asset Management eingeladen. In dieser Episode „Asset Class – über Wachstum und Werte“ geht es außerdem darum, wie der ETF-Anbieter die Schwankungen in seinen Portfolios reduziert und was das alles mit antiken Olivenpressen zu tun hat.
Hier geht es zum Video auf YouTube – außerdem ist die Episode natürlich überall zu hören, wo es Podcasts gibt.
Apple, Microsoft, Meta und Amazon: Vier der sieben gemessen am Börsenwert größten Unternehmen weltweit haben diese Woche Zahlen vorgestellt. Und die fielen größtenteils besser als erwartet aus.
900 Millionen $ war die Zahl, die bei Apple für Erleichterung sorgte. So hohe Mehrkosten erwartet der US-amerikanische iPhone-Hersteller im derzeit laufenden, abweichenden dritten Geschäftsquartal wegen des Zollstreits zwischen den USA und China. Die Märkte hatten mit deutlich mehr gerechnet. Eine Prognose der Zollkosten über den Juni hinaus wagte Apple-CEO Tim Cook aber nicht. Der Konzernumsatz im abgelaufenen zweiten Geschäftsquartal war im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 5 % auf 95,4 Mrd. $ gestiegen – auch das besser als erwartet. Unterm Strich verdiente Apple 24,8 Mrd. $ nach knapp 23,6 Mrd. $ ein Jahr zuvor. Lediglich bei den Erlösen aus dem App- und Abo-Geschäft verfehlte man die Erwartungen leicht.
Die wachsende Nachfrage nach KI hat bei Microsoft ebenfalls zu einem unerwartet starken Quartalsergebnis geführt. Beim US-Softwareriesen stieg der Umsatz im abgelaufenen Quartal um 13 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum auf 70,1 Mrd. $, der Nettogewinn kletterte währungsbereinigt um 19 % auf 25,8 Mrd. $ – ein Rekordquartal für Microsoft.
KI verpasste auch Meta einen überraschenden Wachstumsschub im ersten Quartal: Der Umsatz des US-Mutterkonzerns von Instagram, Facebook und Whatsapp stieg unter anderem dank Metas KI-gestützter Software für Online-Anzeigen um 19 % im Vorjahresvergleich auf 42,3 Mrd. $ – fast eine Milliarde mehr als erwartet. Der Nettogewinn stieg um 35 % auf gut 16,6 Mrd. $.
Nur beim US-Einzelhandelsriesen und Cloud-Anbieter Amazon war teilweise der Wurm drin: Das Wachstum in der wichtigen Cloud-Sparte (AWS) ist zum Jahresauftakt erneut hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Starke Ergebnisse im Online-Handel sorgten jedoch dafür, dass Amazons Quartalszahlen die Markterwartungen trotzdem übertrafen. Insgesamt lag der Umsatz mit 155,7 Mrd. $ rund 9 % höher als im Vorjahreszeitraum. Der Nettogewinn stieg sogar um 64 % auf 17,1 Mrd. $.
Schienen erneuern, Autobahnbrücken sanieren und Glasfaserkabel bis ins letzte Dorf verlegen: Mit 500 Mrd. € wird es nicht getan sein, wenn es darum geht, die Infrastruktur Deutschlands wieder auf Vordermann zu bringen. Der noch amtierende Bundesverkehrsminister Volker Wissing sagte im Interview mit der Tageszeitung „FAZ“, dass das gigantische Infrastruktur-Finanzpaket von Union und SPD noch immer zu klein bemessen sein dürfte.
Die exportstarke deutsche Wirtschaft ist auf funktionierende Häfen, sichere Straßen und eine zuverlässige Energieversorgung angewiesen – nicht nur in Deutschland. Eine funktionstüchtige Infrastruktur ist das Fundament der globalisierten Weltwirtschaft. Mit breit investierenden Infrastruktur-ETFs setzen Sie auf Unternehmen, die den Welthandel am Laufen halten, wie den spanischen Flughafenbetreiber Aena oder den kanadischen Spezialisten für Erdöl- und Erdgaspipelines Enbridge.
Etwas mehr Konzentration gefällig? Der ETF Invesco Morningstar US Energy Infrastructure MLP setzt auf Unternehmen wie Energy Transfer oder Genesis Energy, die sich in den USA darum kümmern, dass Öl- und Gas flächendeckend verfügbar sind und der Strom weiterhin aus der Steckdose kommt. Energieunternehmen sind tendenziell spendabel, was Gewinnausschüttungen angeht. Die Ausschüttung findet quartalsweise statt.
Es geht noch spezieller: Mit dem ETF iShares AI Infrastructure investieren Sie nicht in herkömmliche Infrastrukturunternehmen, sondern in die Firmen, die hinter dem Erfolg von ChatGPT und Co. stehen. Ohne Netzwerkchips von Broadcom, Router und Switches von Cisco oder 5G-Modems von Qualcomm sind moderne KI-Rechenzentren nämlich überhaupt nicht vorstellbar.
Noch nicht futuristisch genug? Der Amundi MSCI Smart Cities setzt auf Unternehmen, die bereits heute unsere Zukunft gestalten. Neben Xiaomi, dem chinesischen Smartphone-Hersteller und Vorreiter beim Megatrend „Internet of Things“, enthält der ETF auch Anteile des US-Unternehmens für Datensicherheit Cloudflare. Broadcom ist auch in diesem ETF vertreten, ebenso wie der deutsche Industrie-Chip-Spezialist Infineon.
Anteil der Menschen in Europa, die Aktien oder Aktienfonds besitzen
Quelle: Statista Consumer Insights
Gerade einmal ein Sechstel der Deutschen besitzt Aktien oder Aktienfonds. Das geht aus einer europaweiten Befragung von Statista Consumer Insights hervor. Mit dieser Aktionärsquote liegt Deutschland gleichauf mit Italien und hinter seinen Nachbarländern Österreich und der Schweiz. In den nordischen Ländern setzen die Menschen beim Vermögensaufbau am stärksten auf Unternehmensanteile. Europameister ist Finnland: Dort investiert fast ein Drittel der Bevölkerung in Aktien, Aktien-ETFs und Co.
Auch innerhalb Deutschlands sind die Unterschiede groß, wie Daten des Deutschen Aktieninstituts (DAI) zeigen. Während die Aktionärsquote in Bayern (23 %) und Baden-Württemberg (22 %) weit über dem Bundesdurchschnitt liegt, beträgt sie in Ostdeutschland lediglich 11 %. Mecklenburg-Vorpommern bildet das Schlusslicht: Dort haben nur 9 % der Bevölkerung zumindest einen Teil ihres Geldes in Unternehmensanteile investiert.
Video
Lindt, Roche, Nestlé und Co. sind wieder direkt im Scalable Broker handelbar. Weshalb Schweizer Aktien sechs Jahre lang auf der schwarzen Liste der Europäischen Union standen, klärt unser Chief Economist Christian W. Röhl gemeinsam mit Noah Leidinger von „Ohne Aktien wird schwer" in diesem YouTube-Video.
Quellen: Scalable and dpa-AFX