US-Aktien reagierten positiv auf Trump-Wahl – Aber: Wird das von Dauer sein?

10. Januar 2025  |  Prof. Dr. Stefan Mittnik
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Unmittelbar nach Bekanntgabe des Ergebnisses der Präsidentschaftswahlen am 5. November verzeichneten die US-Aktien einen kräftigen Kurssprung. Doch politische Börsen haben angeblich kurze Beine. Könnte es dieses Mal anders sein? Die vergangenen 80 Börsenjahre zeigen, dass der Ausgang von US-Wahlen durchaus ein Indikator für die künftige Börsenentwicklung sein kann. Es könnte aber auch ein anderer Indikator eine Rolle spielen.

Aus der von vielen als Schicksalswahl bezeichneten US-Präsidentschaftswahl ist Donald Trump als überraschend klarer Sieger hervorgegangen. Seine wirtschaftspolitische Agenda entspricht der seiner ersten Amtszeit: Regulierung und Steuern runter, Importzölle und – „Drill, Baby, Drill“ – Öl- und Gasförderung rauf. Wurde ihm nach seiner ersten Amtszeit vorgeworfen, „overpromised and underdelivered“ zu haben, so will er jetzt von Tag eins an Gas geben und seine Wahlversprechen im Eiltempo umsetzen. Die Möglichkeit dazu hat er, denn die Wahlen haben ihm auch republikanische Mehrheiten in beiden Häusern des US-Kongresses beschert.

Die möglichen Konsequenzen für die Wirtschaft, die eine rasche Umsetzung der Trumpschen Vorhaben haben könnte, lassen viele Wirtschaftslenker und -lenkerinnen außerhalb der USA unruhig schlafen. Die weltweiten Aktienmärkte zeigten sich weniger besorgt: Abgesehen von China und wenigen anderen Ausnahmen legten sie unmittelbar nach Bekanntwerden der Wahlergebnisse auf breiter Front zu. Vor allem die US-Indizes profitierten, wobei die Euphorie im Tech-Sektor besonders ausgeprägt war. Ganz vorne dabei allerdings ein Dienstleistungsunternehmen. Die Aktie der Correction Corporation of America, Betreiber von privat geführten Gefängnissen und Abschiebehaftanstalten, verzeichnete ein Plus von 43 Prozent.

Langer Atem gegen kurzbeinige Börsen

Die Kursrallye mag einigen Anlegerinnen und Anlegern ein wenig Trost gespendet haben und über den Wahlausgang hinweggeholfen haben. Aber politischen Börsen wird nachgesagt, kurze Beine zu haben. Sollte man vielleicht jetzt aus US-Aktien aussteigen und Gewinne mitnehmen? Oder könnte es sich lohnen, jetzt noch einzusteigen? Ein Blick in die Börsengeschichte anhand der historischen Daten, die der Nobelpreisträger Robert Shiller für sein Buch Irrational Excuberance1 zusammengestellt hat, zeigt: Wer langfristig anlegt, was bei Aktienanlagen stets ratsam ist, und bereits breit gestreut in US-Aktien investiert ist, kann sich beruhigt zurücklehnen.

Die folgende Grafik zeigt, dass der US-Aktienmarkt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine stetige, wenn auch nicht schwankungsfreie Aufwärtsentwicklung genommen hat. Aus einem Investment von einem Dollar im Januar 1945, dem Beginn der Amtszeit des demokratischen Präsidenten Harry S. Truman, wurden bis zum 31.10.2024, also knapp 80 Jahre später, mehr als 5.700 Dollar. Das entspricht einer jährlichen Rendite von 11,4 Prozent. Dabei wird unterstellt, dass Dividendenzahlungen reinvestiert werden und steuerliche Aspekte unberücksichtigt bleiben. Im Schnitt verdoppelte sich der Wert der Aktien etwa alle sechseinhalb Jahre – und das trotz der Nachwehen des Zweiten Weltkriegs, der Korea-, Golf- und Russland-Ukraine-Kriege, der Kuba-, Öl- und Immobilienkrisen, der Dotcom- und Lehman-Crashs und trotz Covid. Der nahezu lineare Verlauf der Wertentwicklung in der Grafik bedeutet aufgrund der logarithmischen Skalierung, dass die prozentualen Zuwächse langfristig mehr oder weniger konstant waren. Die kaufkraftbereinigte Jahresrendite, d.h. nach Berücksichtigung der US-Inflation, lag im Schnitt bei 7,5 Prozent. Das bedeutet, dass sich die Kaufkraft einer Aktienanlage in weniger als zehn Jahren verdoppelt hat.

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Wertentwicklung eines Ein-Dollar-Investments seit 1945 unter republikanischen und demokratischen Präsidentschaften (logarithmische Skalierung). Quellen: Robert Shiller, Wikipedia, eigene Berechnungen

Wer liefert die bessere Performance – Republikaner oder Demokraten?

Wer also in Jahrzehnten denkt, sollte seine Anlageentscheidungen in US-Aktien nicht von der Parteizugehörigkeit des amtierenden oder künftigen Präsidenten abhängig machen. Aber nicht immer ist beabsichtigt, über Jahrzehnte statisch in Aktien investiert zu sein. Sollte es bei der Entscheidung, ob man jetzt Positionen in US-Aktien auf- oder abbaut, eine Rolle spielen, ob ein Republikaner oder ein Demokrat im Oval Office das Sagen hat? Historisch betrachtet scheint dies tatsächlich der Fall zu sein. In den 40 Jahren republikanischer Präsidentschaften seit 1945 betrug die durchschnittliche Jahresrendite 8,9 Prozent, in den 39 Jahren und 10 Monaten demokratischer Präsidentschaften 14,0 Prozent. US-Aktien erlitten unter republikanischen Präsidenten heftigere krisenbedingte Kursrückschläge. War das Pech? Wirtschaftspolitisches Unvermögen? Oder einfach Laissez-Faire – nach dem Motto: Krisenintervention ist nicht nötig, der Markt wird's schon richten?

Vielleicht ist die Zeitspanne von 1945 bis 2024 einfach zu kurz, um zu beurteilen, ob das Muster System hat oder rein zufällig ist. Ein Blick auf die Kursentwicklung zurück bis 1871, also zehn Jahre nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkriegs, lässt eher Ersteres vermuten. Über den gesamten Zeitraum der vergangenen 154 Jahren betrug die durchschnittliche Jahresrendite 9,3 Prozent. Unter republikanischen Präsidentschaften waren es 8,4 Prozent, unter demokratischen 10,0.

Grenzen der Macht

Obwohl US-Präsidenten eindeutig zu den mächtigeren Staatsoberhäuptern der Welt gehören, setzt die Verfassung der exekutiven Macht durch ein System von "checks and balances" Grenzen. Die gesetzgebende Gewalt liegt beim Kongress, also dem Repräsentantenhaus und dem Senat. Der Präsident kann jedoch verabschiedete Gesetze per Veto ablehnen, was wiederum mit einer Zweidrittelmehrheit in beiden Kammern überstimmt werden kann. Die mangelnde Kooperationsbereitschaft des Kongresses erschwert die Umsetzung der präsidialen Agenda. Folglich sind Gestaltungs- und Durchsetzungsvermögen des Präsidenten und somit seine Wirkung auf die Börse letztlich auch von den Mehrheiten in den beiden Kammern abhängig.

In den letzten 80 Jahren hat sich der Aktienmarkt in den USA am besten entwickelt, wenn in beiden Kongresskammern die republikanische Partei die Mehrheit hatte, unabhängig davon, welcher Präsident gerade im Amt war. In den 18 Jahren seit 1945, in denen dies der Fall war, wurde eine durchschnittliche Jahresrendite von 15,2 Prozent erzielt. Demgegenüber betrug die durchschnittliche Jahresrendite in den 46 Jahren, in denen die Demokraten den Kongress beherrschten, lediglich 9,4 Prozent. Und in den 16 Jahren eines geteilten Kongresses, in denen die Parteien jeweils nur in einer Kammer die Mehrheit hatten, waren es immerhin 13,0 Prozent

Die folgende Abbildung zeigt die Entwicklung des US-Aktienmarktes seit 1945 (linkes Panel) und seit 1871 (rechtes Panel) in Abhängigkeit von der jeweiligen Parteienkonstellation im Weißen Haus und im Kongress. Mit einer jährlichen Steigerungsrate von 17,2 Prozent verzeichneten US-Aktien ihre stärkste Performance , wenn ein Demokrat den Präsidenten stellte und die Macht in den beiden legislativen Kammern geteilt war. Dies waren die Jahre 2011–2014 unter Barack Obama und nach den Zwischenwahlen zum Kongress unter Joe Biden. In den zehn Jahren demokratischer Präsidentschaften und republikanischen Mehrheiten in beiden Kongresshäusern wurde eine durchschnittliche jährliche Rendite von 15,3 Prozent erzielt. Aber auch die bevorstehende Konstellation mit einem Weißen Haus und beiden Kammern in republikanischer Verantwortung gab es zuvor über acht Jahre und war für die US-Börse mit einer durchschnittlichen Jahresrendite von 15,0 Prozent ähnlich gut. Eher enttäuschend verliefen die 22 Jahre, in denen die Republikaner den Präsidenten stellten und die Demokraten im Kongress das Sagen hatten. Magere 6,0 Prozent brachten Aktienanlagen im Schnitt. Diese empirischen Renditemuster scheinen keine Besonderheit der letzten 80 Jahre zu sein. Wie das rechte Panel in der Abbildung zeigt, gilt das Muster mit gewissen Abweichungen auch für den gesamten Zeitraum seit 1871.

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Durchschnittliche Jahresrenditen unter verschiedenen Regierungskonstellationen seit 1945 (linkes Panel) und 1871 (rechtes Panel). Quellen: Robert Shiller, Wikipedia, eigene Berechnungen

Wahlzyklus und Börsenzyklus

Es stellt sich auch die Frage, ob – unabhängig von der politischen Konstellation – die Aktienperformance über den Wahlzyklus hinweg bestimmten Mustern folgt. Hat vielleicht die Unsicherheit über den Ausgang der Präsidentschaftswahlen im Wahljahr einen negativen Einfluss auf die Börse? Die folgende Abbildung zeigt, dass dies nicht der Fall ist. In den 20 Wahljahren (bis einschließlich 2024) seit dem 2. Weltkrieg weicht die Durchschnittsrendite von 11,0 Prozent nur geringfügig von der Gesamtrendite von 11,5 Prozent ab. Ein Jahr im vierjährigen Wahlzyklus sticht jedoch besonders hervor. Mit einer durchschnittlichen Rendite von 18,2 Prozent wurde die mit Abstand beste Performance wurde im Jahr vor dem Präsidentschaftswahljahr erzielt. In den übrigen drei Jahren des Wahlzyklus lag sie mit 10,9 Prozent im Schnitt deutlich niedriger. Die hohen Renditen in den Vorwahljahren gingen auch nicht mit höheren Verlustrisiken einher. Im Gegenteil: Der höchste Jahresverlust in einem Vorwahljahr betrug 3,5 Prozent. In den anderen drei Jahren des Wahlzyklus lagen die Maximalverluste zwischen 16,3 und 35,6 Prozent. Die nächsten Präsidentschaftswahlen finden im November 2029 statt. Es könnte also besonders lohnend sein, Anfang 2028 in US-Aktien zu investieren.

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Durchschnittliche Jahresrenditen und höchste Jahresverluste in den Wahljahren (versehen mit dem Label „0“) und den drei Folgejahren seit 1945. Quellen: Robert Shiller, eigene Berechnungen

Disclaimer

Natürlich gibt es keine Garantie, dass die Regelmäßigkeiten seit 1945 bzw. 1871 auch in Zukunft gelten. Zum einen handelt es sich bei den Renditeangabe um Durchschnittsbetrachtungen, von denen es zum Teil auch erhebliche Abweichungen gab. Weichen künftige Präsidenten oder Präsidentinnen deutlich von ihren „Durchschnittsvorgängern“ ab, was ja vorkommen soll, können auch die Börsen stark abweichend reagieren. Darüber hinaus gilt: Nichts währt ewig. Die Wechselwirkung zwischen Politik und Finanzmärkten muss kein stationärer Prozess sein. Das Zusammenspiel kann sich graduell oder auch abrupt ändern. Zudem: Die in den historischen Daten manifestierten Zusammenhänge zwischen Politik und Börsengeschehen können aus einer Kombination von tatsächlichen Kausaleinflüssen und aus fragwürdigen Scheinkorrelationen entstanden sein. Von einer Scheinkorrelation spricht man, wenn ein gemessener Zusammenhang ein zufälliges Phänomen ist und keinen kausalen Ursprung hat.

Daumen drücken für die Kansas City Chiefs?

So dürften Scheinkorrelationen auch den Super-Bowl-Indikator hervorgebracht haben. Leonard Koppett,2 Sportjournalist der New York Times, stellte 1978 fest, dass die amerikanischen Aktienindizes am Jahresende ein Plus verzeichneten, wenn eine Mannschaft der National Football Conference (NFC) das seit 1967 zu Jahresbeginn ausgetragene Endspiel im American Football, den Super Bowl, gewann. Gewann hingegen ein Team der American Football Conference (AFC),3 so drehten sie ins Minus. Bis 1977 traf das genau in zehn von elf Jahren zu. Die Trefferquote von 91 Prozent hatte auch nach weiteren elf Jahren mit 20 korrekten Prognosen in 22 Jahren Bestand.4 Doch danach sank die Quote rapide. Und nach 2015 mutierte der Super-Bowl-Indikator zu einem Gegenindikator. In den letzten zehn Jahren bescherten NFC-Siege eine Durchschnittsrendite von müden 0,4 Prozent. Glücklicherweise gab es nur drei NFC-Siege. In den sieben Jahren, in denen ein AFC-Team siegreich war, betrug der Anstieg im Schnitt 16,7 Prozent. Dafür sorgten nicht zuletzt die Kansas City Chiefs. Das AFC-Team bestritt vier der letzten fünf Endspiele und bescherte der AFC die letzten drei Siege. Drei Jahre, in denen US-Aktien im Schnitt um jeweils 20 Prozent zulegten. Mehr als jede politische Konstellation in Washington zustande brachte.

Was können wir nun von der US-Börse im laufenden Jahr erwarten? Ein Republikaner im Weißen Haus und republikanische Mehrheiten in beiden Kongresskammern haben in der Vergangenheit für starke Börsenjahre gesorgt. Auch der Super-Bowl-Gegenindikator gibt derzeit ein positives Signal. Die Kansas City Chiefs mit ihrem Erfolgsduo, Quarterback Patrick Mahomes und Tight End – und Taylor-Swift-Partner – Travis Kelce, rangieren mit 15 Siegen aus den 17 Spielen der regulären Saison ganz oben in der AFC. Das könnte für zusätzlichen Rückenwind sorgen – wenn nur hinreichend viele Aktionärinnen und Aktionäre fest an den Super-Bowl-Indikator und dessen Kehrtwende glauben.

1 Shiller, Robert J., 2016, Irrational Exuberance, Princeton University Press.

2 Koppett, Leonard, 1978, Carrying Statistics to Extremes, Sporting News, 11. Februar. Siehe auch: Schmidt, Bill und Ronnie Clayton, 2017, Super Bowl Indicator and Equity Markets: Correlation not Causation, Journal of Business Inquiry, 17, 97-103.

3 Damals hießen die beiden Ligen noch als American Football League (AFL) und National Football League (NFL).

4 Siehe: Krueger, Thomas M. und William F. Kennedy, 1990, An Examination of the Super Bowl Stock Market Predictor, Journal of Finance, 45, 691-697.

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Prof. Dr. Stefan Mittnik
GRÜNDER, WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT
Professor Dr. Stefan Mittnik lehrte von 2003 bis 2020 Finanzökonometrie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Zudem ist er Direktor des Center for Quantitative Risk Analysis sowie Fellow am Center for Financial Studies (CFS) in Frankfurt. Nach der Promotion in den USA lehrte er in New York und Kiel, bevor er nach München wechselte. Er war Mitglied des Forschungsbeirats der Deutschen Bundesbank, Fachkollegiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie Forschungsdirektor am CFS und Ifo-Institut und hatte mehrere Gast- und Ehrenprofessuren im Ausland inne. Seit mehr als 30 Jahren forscht er zu Fragen der Analyse, Modellierung und Prognose von Finanzmarktrisiken und entwickelt Lösungen, bei denen empirische Relevanz statt finanzmathematischer Eleganz im Vordergrund stehen.