
Das medienscheue Mode-Mastermind Amancio Ortega hat nichts vom Glamour eines Karl Lagerfelds, sein Konzern ist mehr Tech-Unternehmen als Modehaus. Die Geschichte von Amancio Ortega und seinem Lebenswerk Inditex, das hinter Marken wie Zara, Bershka und Massimo Dutti steckt, ist eine faszinierende und lehrreiche Fallstudie über unternehmerische Vision, operative Exzellenz und eine beispiellose Wachstumsstrategie, analysieren Scalables Chief Economist Christian W. Röhl und Alexander Langer den Aufstieg dieses einzigartigen Unternehmens Ortega, vom ersten Laden in A Coruña bis zum globalen Marktführer, der die Spielregeln der Modeindustrie neu schreibt.
Die Wurzeln des Bekleidungskonzerns Inditex liegen in der Armut des Spaniens der Nachkriegszeit. Geboren 1936 als Sohn eines Eisenbahners, erlebte Amancio Ortega ein prägendes Schlüsselerlebnis, als seine Mutter in einem Geschäft aufgrund fehlenden Geldes gedemütigt wurde, so schildert es Langer. Dieser Moment des Mangels sei zur „Origin-Story“ seines Ehrgeizes geworden: „Ich werde nie wieder so arm sein“, zitiert er den jungen Ortega. Mit 14 Jahren verließ er die Schule und begann als Laufbursche in einer Textilwerkstatt – sein erster Schritt in eine Branche, die er revolutionieren sollte.
Jahrelang habe er Wissen über Stoffe, Produktion und Kundenwünsche gesammelt. Nach Feierabend optimierte er Ausschussware und entwickelte eigene Designs. Mit dem Ende der Franco-Diktatur 1975 habe Ortega seine Chance erkannt. In seiner Heimatstadt A Coruña eröffnete er den ersten Laden, der ursprünglich nach seinem Lieblingsfilm „Zorba“ heißen sollte. Da eine nahegelegene Bar denselben Namen trug, arrangierte er die bereits bestellten Buchstaben für seinen Laden kurzerhand neu - so war die Marke Zara geboren.
Von Beginn an habe das Geschäftsmodell auf einem Konzept basiert, welches heute als „Fast Fashion“ bekannt ist. Statt saisonale Kollektionen Monate im Voraus zu planen, habe Ortega auf eine extrem schnelle Reaktion auf aktuelle Trends und Kundenwünsche gesetzt. Röhl formuliert die Kernidee so: Nicht Trends setzen, sondern den Zeitgeist perfekt bedienen. „Zara ist eben kein Trendsetter, sondern letztendlich ein Zeitgeistsurfer“, zitiert er. Dies ermöglichte eine Produktion in kleinen Serien, die eine künstliche Verknappung erzeugte und die Kundschaft regelmäßig in den Laden zog.
Der Schlüssel zum Erfolg sei laut Röhl eine meisterhafte Logistik und eine tiefgreifende vertikale Integration. Ein Großteil der Produktion verblieb lange in Spanien und Portugal, um maximale Kontrolle und Geschwindigkeit gewährleisten zu können. Zwischen dem fertigen Entwurf und der Lieferung in die Filialen vergehen oft nur 10 bis 15 Tage. Die Strategie: Anstatt teurer Werbekampagnen in Hochglanzmagazinen habe Inditex konsequent in erstklassige Ladenlokale in den besten Einkaufsstraßen der Welt investiert – die Präsenz vor Ort sei das Marketing gewesen, fasst der Experte zusammen.
Zehn Jahre nach der Gründung von Zara schuf Ortega 1985 eine Holding-Struktur mit dem technokratischen Namen Inditex (Industria de Diseño Textil). Dies sei die Basis für die internationale Expansion und die Diversifizierung des Markenportfolios mit Zukäufen und Neugründungen wie Pull & Bear, Massimo Dutti oder Stradivarius gewesen. Obwohl Zara bis heute rund 75 % des Umsatzes ausmacht, dienen die kleineren Marken als „Innovationslabore“, in denen neue Konzepte schnell erprobt werden könnten, analysierten die Dialogpartner.
Die unternehmerische Führung spiegle Ortegas pragmatischen Ansatz wider. Anstatt auf schillernde Persönlichkeiten aus der Modebranche zu setzen, vertraue er auf Quereinsteiger. Der erste externe CEO war ein IT-Spezialist von einer Versicherung, gefolgt von Juristen und Finanzexperten. Röhl fasst es treffend zusammen und ordnet ein: „Es geht ja nicht um Glamour, sondern um Prozess-Know-how und Optimierung.“ Diese Fokussierung auf operative Exzellenz zeige sich in beeindruckenden Kennzahlen: Eine stabile Rohmarge von über 55 % und eine Bilanz, die getreu Ortegas Herkunft fast keine Schulden aufweise, sondern eine Nettoliquidität von fünf Milliarden Euro.
Der immense Erfolg von Fast Fashion habe jedoch auch eine Kehrseite, betonen die Finanzexperten. Die Branche stehe wegen der Wegwerfkultur und prekärer Arbeitsbedingungen in Produktionsländern wie Bangladesch massiv in der Kritik. Inditex habe zwar auf die Vorwürfe reagiert und sich zu strengeren Kontrollen und Nachhaltigkeitsinitiativen verpflichtet, doch der grundsätzliche Zielkonflikt des Geschäftsmodells bleibe bestehen.
Gleichzeitig sei das Tempo der Branche nochmals gestiegen, erklärt Röhl. Neue, rein digitale Wettbewerber aus China drängten mit noch aggressiveren Preisstrategien und einer noch engeren Verzahnung mit sozialen Medien auf den Markt. Um nicht den Anschluss zu verlieren, müsse Inditex seine Präsenz auf Plattformen wie TikTok und Instagram weiter ausbauen und die Interaktion mit einer jüngeren Zielgruppe intensivieren. Die Anpassungsfähigkeit, die das Unternehmen von Beginn an auszeichne, sei heute gefragter denn je, ist die These.
Dies ist ein Beispiel eines Visionärs, der mit Bescheidenheit, dem unbedingtem Willen zur Kontrolle und einem tiefen Verständnis für Prozesse und Logistik ein globales Imperium schuf. Die Geschichte von Amancio Ortega und Inditex ist der Beweis, dass eine Revolution nicht immer laut sein muss.
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