US-Technologieaktien: Außer Rand und Band?

3. Juli 2018  |  Tobias Aigner
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Tech-Giganten wie Apple oder Alphabet kosten an der Börse hohe dreistellige Milliardensummen. Ist das übertrieben?

Keine andere Branche erhitzt die Gemüter der Marktbeobachter derzeit so stark wie US-Technologieaktien. Die einen warnen, dass der Sektor an der Börse hochgejazzt wurde und bald ein Crash droht. Die anderen sind begeistert von den Wachstumsaussichten und sagen weitere Kursgewinne voraus. Dass wir uns an solchen Spekulationen nicht beteiligen, ist für unsere Blog-Leser wahrscheinlich nichts Neues. Wer sich der Börse mit wissenschaftlichen Methoden nähert, weiß, wie aussichtslos es ist, das Auf und Ab der Kurse vorherzusagen, und vernimmt die Plädoyers beider Seiten mit Skepsis.

Dennoch wollen wir einen interessanten Punkt in der Diskussion um Technologietitel aufgreifen. Es geht um ihre Marktkapitalisierung. Nehmen wir Apple, das wertvollste börsennotierte Unternehmen der Welt. 900 Milliarden Dollar kostet der iPhone-Konzern an den Finanzmärkten – mehr als die zehn wertvollsten DAX-Konzerne zusammen. Und mehr als das Bruttoinlandsprodukt der Niederlande ausmacht. Auch die Google-Mutter Alphabet stellt mit ihrem Börsenwert von 780 Milliarden Dollar die Wirtschaftsleistung von Ländern wie Schweden, Belgien oder der Schweiz in den Schatten. Kritiker sehen schon in der schieren Größe einen Hinweis auf eine gefährliche Übertreibung im Tech-Sektor.

Hier lohnt es sich, etwas genauer hinzusehen. Und das gelingt wie so oft, wenn man die Börsendaten der Vergangenheit auswertet. Demnach mag der absolute Börsenwert von Tech-Konzernen zwar gewaltig aussehen. Aber relativ zum Gesamtmarkt ist das Gewicht des Technologiesektors eher unauffällig – das hat Goldman Sachs in einer Studie herausgefunden.

Dominante Branchen

Anteil des jeweils größten Sektors an der Marktkapitalisierung der US-Börse

Anteil des jeweils größten Sektors an der Marktkapitalisierung der US-Börse

Quelle: GFD, Goldman Sachs Global Investment Research

Rund 25 Prozent machen Technologiewerte derzeit am S&P 500 aus. Das ist nicht mehr, als Energietitel auf die Börsenwaage brachten, als sie Mitte des 20. Jahrhunderts den US-Aktienmarkt dominierten. Transportwerte, allen voran Eisenbahnaktien, kamen im 19. Jahrhundert sogar auf einen Anteil von rund 70 Prozent. Jeder neue Innovationsschub hat einen bestimmten Sektor nach oben gehievt. Und von Welle zu Welle hat die Dominanz eher ab- als zugenommen, zumal der Index einen immer höheren Grad an Diversifikation erreichte.

Ziemlich normal sieht es übrigens auch aus, wenn man den Börsenwert von Apple selbst ins Verhältnis zum S&P 500 setzt.

Schwergewichte an der Wall Street

Anteil des jeweils größten Konzerns am Börsenwert des S&P-500-Index*

Anteil des jeweils größten Konzerns am Börsenwert des S&P-500-Index*

*Vor 1974 Anteil am Nettogewinn aller Indexmitglieder; Quelle: Fortune 500, Datastream, Goldman Sachs Global Index Investment.

Der Anteil des iPhone-Konzerns an der Index-Kapitalisierung liegt derzeit bei rund vier Prozent. Diesen Wert erreichten die vormals größten US-Unternehmen Exxon, Microsoft oder General Electric ebenfalls. In den 70er und 80er Jahren, als IBM zum Giganten der US-Börse aufstieg, kletterte dessen Anteil am S&P 500 sogar auf rund sieben Prozent (die höheren Quoten von General Motors vor 1974 beziehen sich auf den Nettogewinn und sind deshalb nur bedingt vergleichbar).

Um Missverständnissen vorzubeugen: Das alles soll nicht heißen, dass Technologieaktien nicht bald einbrechen können. Wie gesagt, vorhersagen lässt sich die Kursbewegung nicht. Vielleicht sind die Gewinnschätzungen für die Branche zu hoch. Vielleicht erleben wir schon bald einen neuen Innovationsschub und ein anderer Sektor übernimmt die Führung. Oder es kommt zu einem breiten Rückschlag am Aktienmarkt, der auch die Technologiebranche in Mitleidenschaft zieht. Über solche Fragen gibt diese Betrachtung keine Auskunft. Doch eines steht fest: Tech-Aktien dominieren die US-Börse nicht mehr als andere führende Branchen in der Vergangenheit und sind zumindest in dieser Hinsicht ganz normal.

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Tobias Aigner
Tobias Aigner
EDITOR IN CHIEF (Ehemals)
Tobias ist Finanz- und Wirtschaftsjournalist mit mehr als 20 Jahren Berufserfahrung. Zuletzt arbeitete er als leitender Redakteur für das Wirtschaftsmagazin €uro. Zuvor war er für Capital, Börse Online, die Financial Times Deutschland und die Süddeutsche Zeitung tätig. In seinen Kommentaren, Analysen und Features setzte er sich vor allem mit den Themen Börse, Risikomanagement und regelbasierte Anlagemodelle auseinander. Tobias hat Physik an der TU München studiert.